Lurking or Legitimate Peripheral Participation
Über den Lurker liest man in Wikipedia: „Lurker (engl. to lurk, lauern, schleichen) ist eine Bezeichnung für passive, also nur lesende Teilnehmer einer Newsgroup, eines Forums oder einer Mailingliste.“ Wer sich mit Social Learning beschäftigt, mit dem Lernen in Netzwerken und Communities, stößt irgendwann auf diesen Lurker. Aber damit beginnt meist erst die Diskussion. Denn was früher vielleicht „Beteiligung am Unterricht“ hieß und Lehrern und Schülern klare Hausaufgaben mitgab, verschwimmt in den Weiten des Netzes und des selbstorganisierten Lernens. Verschiedene Standpunkte bieten sich heute an, den Lurker zu diskutieren:
– Lurking als unabänderliches Web-Phänomen: Der Lurker ist Teil der „90-9-1“-Regel, mit der wir uns im Netz abfinden müssen, wie Jakob Nielsen vor einigen Jahren feststellte: „The first step to dealing with participation inequality is to recognize that it will always be with us. It’s existed in every online community and multi-user service that has ever been studied.“ Punkt.
– Lurking und Partizipation als Seiten unserer Persönlichkeit: Sozusagen die „90-9-1“ -Regel in uns. Denn wir bewegen uns selbst in ganz verschiedenen Netzwerken und Communities. Und während wir in einigen wenigen aktiv sind, nehmen wir an vielen anderen nur passiv teil. Was auch nicht anders geht.
– Lurking als individueller Entwicklungsprozess: Wer sich auf unbekanntes Terrain begibt, sich langsam an ein bestehendes Netzwerk herantastet, tut dies meist als Lurker. Als stiller Beobachter lernt man die ersten Schritte, macht sich mit Spielregeln und Prozessen vertraut, um dann von der Peripherie zum aktiven Kern des Geschehens vorzustoßen. So die Theorie.
– Lurking als Form der Teilnahme: In dieser Lesart wird gerne darauf hingewiesen, dass auch der Lurker als „Konsument“ von Webseiten oder Medien Spuren hinterlässt, dass er schon durch Klicks dafür sorgt, dass Beiträge populär werden, in Rankings erscheinen usw. Dann noch schnell ein Daumen gehoben oder eine Wertung abgegeben, und schon ist man im Spiel. Man gibt also, auch als Lurker, der Community etwas zurück.
– Lurking als Herausforderung für Community-Manager, Lehrende und Facilitators: Die „klassische“ Aufgabe für alle, die mit Gruppen zu tun haben. Es gilt, den Lurker aus seinem Status zu befreien, ihn zu unterstützen, zu motivieren, zur Teilnahme zu bewegen. Hier beginnt die Gratwanderung: Lehrende, die nicht loslassen können, und Teilnehmer, die auf Ansprache und Betreuung warten.
– Lurking als Lernen: „Lurking is not a problem, as long as lurkers are learning because enough material is created and shared by nonlurkers.“ (Claude Almansi) Ein sehr sympathisches Statement, das aber die Frage offen lässt, woher man wissen will, ob Lurker als mehr oder weniger unsichtbare Teilnehmer einer Community lernen. Gleichzeitig erinnert uns das Statement daran, dass Lurker und aktive Teilnehmer logisch untrennbar miteinander verbunden sind.
Nur noch zwei letzte Hinweise: Lurking war natürlich auch immer wieder ein Thema unseres OpenCourses, um die Diskrepanz zwischen Tausenden von Seitenaufrufen, 900 Anmeldungen und 25 aktiven Teilnehmern zu erklären. Und Lurking ist auch ein Thema in dem Buch „Digital Habitats: Stewarding technology for communities“ von Etienne Wenger, Nancy White und John D. Smith, aus dem auch die schöne Bezeichnung „legitimate peripheral participation“ stammt.
Christy Tucker, Experiencing E-Learning, 18. Juli 2011
16 Responses to “Lurking or Legitimate Peripheral Participation”
Danke für diese aufschlussreiche Zusammenfassung. Sieht man es mal positiv, dann waren Sie mit Ihrem Kurs, zumindest nach der 90-9-1 Regel, doch recht erfolgreich, oder? Nicht aufgeben! – Boris Jäger
Please forgive me for replying in English. I can read German OK, but my grammar when writing in German is atrocious and I would certainly embarrass myself.
I love the Almansi quote, and I find myself agreeing with that perspective more than those who feel lurkers are „leeches“ or „takers.“ I also like your point about lurkers and active participants being connected to each other; I think that’s true even when those connections aren’t readily apparent.
Michele Martin noted yesterday that in a course she taught, they specifically stated that peripheral participation was acceptable. Some people stated that having „permission“ to lurk actually made them feel more comfortable participating than if they had been forced to. That’s an interesting point, especially if we view lurkers as „die ‚klassische‘ aufgabe“ or a problem to be solved. Pushing lurkers may not actually be the best way to encourage participation.
https://plus.google.com/u/0/104996299302058398047/posts/UYTj6gTRR6f
Danke sehr for this comparison of perspectives on lurking.
Thanks for dropping by, Christy! I like the idea that teachers do not only look at lurking as a challenge to overcome. Actively stating that peripheral participation is acceptable and even welcome is another, very interesting dimension to discuss lurking.
Regards, Jochen
@Boris: Ja, ja, danke, obwohl wir den „Erfolg“ des OpenCourses sicher nicht am Treffen (oder Nicht-Treffen) der 90-9-1 Regel festmachen …
Alleine die Anmeldezahlen sprechen ja schon dafür, dass der Kurs den richtigen Nerv getroffen hat. Eine aktive Teilnahme möglichst Vieler mag zwar ein heres Ziel sein, aber den Erfolg an der Zahl der Lurker festzustellen wäre der falsche Weg.
Durch Zeitmangel und andere Verpflichtungen zum part-time-lurker verdammt (oder schöner: zu den 9% gehörend) empfand ich mich doch als Teil der community und habe fleißig Werbung für den opco gemacht.
Manchmal durch die Dichte an Kompetenzen und fachlichen Inhalten nicht abgeschreckt aber doch nachhaltig beeindruckt, fand ich die Vielfalt der Themen sehr ansprechend.
Im Rückblick kann ich schon sagen, dass ich mich an der ein oder anderen Stelle hätte mehr einbringen können, bin aber wahrscheinlich an der bequemeren Zurückhaltung gescheitert, mich (gefühlt jedes Mal wieder neu) in die Spielregeln einzufinden.
Als Studentin war für mich die Art des Opcos neu und als Studentin im Medien-/Bildungsbereich zusätzlich hochspannend. Viele meiner „Literaturangaben“ als aktive Teilnehmer/Referenten zu erleben, die „plötzlich ihre Persönlichkeit mitbringen“ hat bei mir zu einer anderen Sicht auf die (Fach)Texte geführt, mit denen ich mich täglich befasse. Denn sich mit der Erinnerung an die Person an die Arbeit zu machen, fällt wesentlich leichter, als nur „mit Namen“ zu arbeiten.
Stellvertretend für viele andere (part-time)lurker möchte ich mich auch bei all denen bedanken, die (ganz ohne uns 😉 ) den opco-kurs kreiert, umgesetzt und über die vielen Wochen an vielen Stellen am Laufen gehalten haben… denn egal ob man lurking als „unvermeidbares Übel“ oder „Potenzial nach oben“ sieht – ohne nonlurkers wird´s schwierig…
Ich denke, viele Lurker haben weit mehr mitbekommen als ich, der ich opco11 mit Beiträgen begleitet habe, ohne doch Zeit, Energie und Gelegenheit zu haben, mehr mitzubekommen als das, was ich dann kommentiert habe.
Nsch dem Kurs wieder mit etwas mehr Zeit ausgestattet, werde ich gewiss manches Lurken nachholen. Werde ich dann auch einiges kommentieren?
Wenn man Schirrmacher in der FAS vom 17.7.11 trauen darf, wäre das ja alles noch Teil der Zeit und der Erinnerung des OpenCourse2011. vgl. auch http://fontanefanopco11.blogspot.com/2011/07/anfang-einer-auswertung-zu-opencourse.html
Ach, da habe ich aus Versehen nicht nur gelurkt, sondern auch kommentiert.
@nici_rav Vielen Dank für die Rückmeldung! Wenn Lurker & Part-Time-Lurker bestätigen, dass es sie gibt 😉 und ihnen die Teilnahme etwas gebracht hat, kann man sicher ja glücklicherweise das Spekulieren schenken.
@Fontanefan Viel Erfolg beim „Lurken nachholen“! Bin aber mit Blick auf den OpenCourse auch nicht sicher, ob „Fontanefan“ der klassische Lurker ist …
Na dann werde ich mich jetzt auch als „unintendierten“ Lurker hier outen :-). Ich hatte mich sehr auf den Kurs gefreut, aber schnell feststellen müssen, dass es mir zeitlich einfach leider nicht möglich war, aktiv dabei zu bleiben.
Dennoch habe ich über Twitter und meine Community immer mal geworben und die Zusammenfassungen teilweise lesen können, die anderen gesammelt: Und ich freue mich jetzt schon darauf, in den „Semesterferien“, wenn die Hausarbeiten im Studium geschrieben sind, ausgiebig daran zu schmökern und vieles nachzulesen, auszuprobieren und in „meine Lernumgebung“ einzubauen.
Allen, die das durch Ihre aktive Teilnahme ermöglicht habe, möchte ich an dieser Stelle auch danken!
Beste Grüße
Sabine Siemsen
(@SieSeCoBiWiBine)
interessante Diskussion – hier meine unstrukturierten Gedanken – bei dem Thema muss man ja fast schon etwas schreiben 🙂
Ich schliesse mich der Argumentation an, dass der Lurker auch etwas lernt und es nicht unbedingt immer um Beiträge/ cooperation geht – speziell bei einfachen Wissen. auch selbst lurke ich viel und habe denke ich habe schon einiges dabei mitgenommen. Denke auch hier muss man Kontrolle abgeben – ähnlich finde/ fand ich auch die Diskussion um SCORM und das tracken der completion von E-learnings: es heisst ja nicht dass man, falls man einen Kurs/ test … nicht completed, nicht das nötige Wissen gefunden hat.
Eine zusätzliche Dimension ist sicher auch der LernerTyp. Manche Lernen eher durch selbst reden/ reflektieren – manche (evtl. introvertiere…) eher durch innere Dialoge.
@Jochen Robes
Nein, nein, natürlich sollte man den Erfolg der Kurses auf keinen Fall nur nach der 90-9-1-Regel bewerten. Deshalb auch mein Aufruf „Nicht aufgeben!“ Die positive Auslegung der Regel war als Ansporn gedacht, denn Sie sind auf einem guten und richtigen Weg. Ob Sie den Weg richtig beschreiten, das muss jetzt bewertet werden… Und sollte die Teilnehmerzahl doch evt., als Zünglein an der Waage, irgendwie ausschlaggebend bei der Bewertung des Kurses sein, dann kann man gut mit der positiven Auslegung der 90-9-1-Regel argumentieren. Die vielen Lurker, die sich jetzt hier und anderswo outen, sind sicherlich auch ein Argument für den Erfolg des Kurses…
[…] Jochen Robes übersetzt und bespricht einen englischen Artikel übers […]
[…] Lurking or Legitimate Peripheral Participation | weiterbildungsblog […]
[…] einbinden könne, die erstmal nur still mitlesen. Social Media Menschen nennen diese Mitleser “Lurker” – ein etwas abwertender Begriff, dem ich sehr kritisch gegenüber […]
[…] so einfach ist das nicht, denn die Gründe für die Passivität sind sicherlich vielfältiger (s. Lurking or Legitimate Peripheral Participation). Es gibt sicherlich auch Kursteilnehmer, die gerne öffentlich beitragen würden aber nicht so […]
[…] J.: Lurking or Legitimate Peripheral Participation. weiterbildungsblog, 19.07.2011. TagsAdobe ConnectAllgemeinwissenAuthoritätenbarcampsBlog […]
[…] und wie jemand teilnimmt, entscheidet er selbst. Lurken umfasst ein sehr weites Spektrum. So hat Jochen Robes die Begrifflichkeit der ,legitimate peripheral participation’ aufgegriffen und viele … (zum Begriff siehe unten unter 7c). In den Daten des OPCO12 (siehe 9b) gab es Hinweise, dass es […]