Rückblick: LEARNTEC 2011
Mobile, Mobile, Mobile
Es gibt diese bekannte, vielzitierte Aussage von Bertolt Brecht: „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d.h., er würde es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“ (1932)
Nun haben wir also immer mehr Smartphones, die tollsten „Kommunikationsapparate des öffentlichen Lebens“ und welche Frage wurde auf dem LEARNTEC-Kongress immer wieder gestellt: Ob denn das Programm des Referenten bzw. des Unternehmens, das er vertritt, auch mobil nutzbar wäre?! Das Ganze erinnerte mich an die ersten Jahre des Web-based Trainings, als man das Internet bzw. Intranet als neue Distributionsplattform entdeckte, ohne – bis heute! – die Möglichkeiten der Vernetzung und Verlinkung auch nur ansatzweise zu nutzen. Wo mir auf der LEARNTEC mLearning, Knowledge Nuggets oder Microlearning begegneten, z.B. in den Referaten der Lufthansa oder der ERGO, waren es zugleich die klassischen Trainingsmodelle: Experten entwickeln und Mitarbeiter konsumieren. Und auf die Frage von Christian Swertz (Universität Wien), der die Sektion „Micro Learning“ moderierte, ob man denn planen würde, auch die Kommunikations-Funktion der Smartphones in zukünftigen mLearning-Konzepten zu nutzen, hieß es: „Das ist eine interessante Idee!“
Kurz: Mobile ist ein Trend, dem sich auch die LEARNTEC tapfer stellte. Jens Quadbeck von Google sprach denn auch in seiner Keynote von der „mobilen Revolution“ als Megatrend. Doch noch ist es nicht klar, ob sich dieser Trend auch in neuen didaktischen Konzepten und einer anderen Form des Lernens niederschlagen wird.
Und wie messen Sie eigentlich den Erfolg?
Bleiben wir noch kurz beim Kongress: In jeder Sektion, die ich besuchte, wurde wieder mindestens einmal die Frage gestellt, ob und wie man denn den Erfolg der jeweils vorgestellten Bildungsmaßnahme messen würde. Ein Klassiker, diese Suche nach dem messbaren, nachgewiesenen Erfolg, ohne den jede Bildungsmaßnahme offensichtlich nur ein Schuss ins Blaue sein kann. Und immer noch fehlt es Referenten an Mut, einfach zu sagen, diese Art von Erfolg, der ROI einer Maßnahme, interessiert sie nicht. Warum nicht einfach darauf hinweisen, dass da ein Bedarf oder ein Problem war, dass man eine Antwort gesucht hat, und dass man sich Ziele, auch messbare Ziele gesteckt hat, die man natürlich überprüft. Aber wer glaubt denn noch an diese zugespitzte Form des Bildungscontrollings, die für einen in Weiterbildung investierten Euro mindestens zwei Euro, sauber dokumentiert, zurückhaben will?
Über den Tellerrand schauen
Die besten Keynotes und Referenten sind die, die uns einen neuen Blick auf Vertrautes ermöglichen, die Bildung mal aus einem neuen Blickwinkel betrachten und uns so zu neuen Ideen und Konzepten führen. Und im Gegensatz zu den letzten Jahren gab es dieses Mal einige solcher Begegnungen auf der LEARNTEC! Ich habe leider nicht alle Keynotes besuchen können, aber mein persönliches Highlight war Christian Elger, Direktor der Klinik für Epileptologie in Bonn, der zu Beginn des zweiten Tages eine wunderbare Übersicht über die Erkenntnisse der Hirnforschung präsentierte („Optimierung von Lernvorgängen: Könnte die Hirnforschung helfen? Sie könnte, wenn…!“). In der Regel kann ich mit Vertretern dieser Fakultät wenig anfangen (vielleicht liegt das auch an diesem prominenten Streiter aus dem süddeutschen Raum …), aber Christian Elgers Vortrag war unterhaltsam, eloquent und kam mit einer sympathischen Arbeitsteilung zwischen Hirnforschung und Didaktik daher. Dann gab es noch Jens Quadbeck (Google Germany), der uns am Eröffnungstag etwas über das Suchen und Megatrends im Netz präsentierte („Wieso weshalb warum – wer nicht fragt (sucht) bleibt dumm“). Obwohl ich hier gerne etwas mehr über die Vision von Google erfahren hätte, die es mit seinen Bildungsprojekten verfolgt (wenn es denn eine solche gibt …). Steve Wheeler (Universität Plymouth) machte uns mit der Zukunft des Web und des Lernens vertraut („The Future of Learning: Web 2.0 and the Smart exTended Web“). Und, by the way, Wheeler hat seine Eindrücke und Erfahrungen auf der LEARNTEC selbst bereits ausführlich festgehalten: „…I wore a microphone headset which made me feel like an astronaut …“. Und dann gab es noch die Keynotes, die ich leider nicht hören konnte, wie z.B. die von Conrad Wolfram („The Future of Knowledge Processing and Wolfram Alpha“).
Markt und Kongress: Parallelwelten
Die Frage nach der Beziehung zwischen Kongress und Messe wird der LEARNTEC erhalten bleiben. Schon die räumliche Trennung bzw. Entfernung ist alles andere als ideal. Die Entscheidung, das Bildungsforum aufzuwerten und einige der Keynotes dort zu platzieren, hat Themen und Diskussionen in die Messe getragen. Und das ist auch notwendig, denn die Anbieter von Lernplattformen, Authoring-Systemen und anderen E-Learning-Lösungen laufen immer wieder Gefahr, neuen Kollaborations- und Kommunikationsformen hinterher zu laufen. Gerade Steve Wheeler hatte ja letzte Woche noch der Learning Technologies in London eine wachsende Kluft zwischen Ausstellern und Kongress ins Stammbuch geschrieben („Upstairs downstairs“– mit vielen Kommentaren!). Der LEARNTEC gegenüber ist er in seinem Reisebericht gnädiger, was er unter anderem am eher mittelständisch orientierten Bildungsmarkt in Deutschland festmacht. Ich stimme ihm zu, dass die für London beschriebene Kluft in Karlsruhe nicht in der Form sichtbar war, würde es aber eher am Kongress festmachen: Es fehlen hierzulande noch Unternehmen, die in breiter Zahl neue Bildungsansätze verfolgen; und auch wissenschaftliche Referenten, die an dieser Stelle praxisorientierte Forschung betreiben und präsentieren.
L3T und anderes
Auf das wunderbare Projekt L3T, das interdisziplinäre Lehrbuch „Lernen und Lehren mit Technologien“, hatte ich gestern bereits hingewiesen. Es wurde ja am ersten Tag der LEARNTEC von Martin Ebner (Graz) und Sandra Schön (Salzburg) vorgestellt und live freigeschaltet. Kurz darauf wurde, ebenfalls im Bildungsforum auf der Messe, der D-ELINA 2011, verliehen, wo Andrea Back und ich mit unserem WissensWert Blog Carnival es immerhin unter die drei Nominierten geschafft hatten. Der Zuschlag ging aber letztlich an das Team der Deutschen Welle und ihre Telenovela für Deutschlerner, „Jojo“.
Es gibt natürlich auch Zahlen und erste offizielle Auswertungen der LEARNTEC. Hier ist die Rede von mehr und zufriedenen Ausstellern, internationalen Besuchern sowie den Top-Themen „Medienkompetenz“ und „Social Media“. Bleibt noch der Hinweis auf meinen Lieblingssatz der diesjährigen LEARNTEC: „Leerzeiten sind Lernzeiten!“ Wenn da nicht jeder Didaktiker vom Stuhl rutscht …
LEARNTEC 2011
Erste Stimmen zur LEARNTEC:
Steve Wheeler: The futures market
Steve Wheeler: Heating the house or burning it down?
Maciej Kuszpa: Learntec 2011, Karlsruhe, Germany
Ralf Baum: Mein Besuch auf der Learntec 2011 #Learntec
Edgar Wang: LEARNTEC Blog
Nicole Bußmann: Learntec 2011 im Rückblick: Eindrücke
Nicole Bußmann: L3T: Beeindruckendes Buchprojekt zum technologiegestützten Lernen
Martin Ebner: L3T online, wir wieder zurück
17 Responses to “Rückblick: LEARNTEC 2011”
[…] Rückblick zur Learntec auch von Jochen Robes im Weiterbildungsblog. […]
[…] so war ich z.B. schon mal NICHT auf der Learntec, über die vor allem (mal wieder) Jochen Robes (hier) relativ ausführlich berichtet. Ich gehöre zwar ohnehin nicht zu denjenigen, die den Kalender […]
[…] […]
[…] “das wunderbare Projekt L3T” (Jochen Robes am 4.2. in seinem Weiterbildungsblog.de) […]
[…] „das wunderbare Projekt L3T“ (Jochen Robes am 4.2. in seinem Weiterbildungsblog.de) […]
Viele treffende Beobachtungen … Zwei Ergänzungen aus Ausstellersicht mit gelegentlichen (nicht wirklich zu weiten …) Wegen zum Kongress: Das Thema „Semantic MediaWiki“ – und generell semantische Technologien – verdient Beachtung. Überhaupt Wikis als Lernumgebung! Hierzu gab es enorm interessante Beispiele (etwa http://wiki.zum.de ). Nebenbei: Die Kluft zwischen Messe und Kongress wurde auch dadurch weiter geschlossen, dass die verlängerte Kongresspause eine enorme fachliche Qualität in die Halle brachte. Das hat richtig Spass gemacht!
Danke für die interessante Ergänzung, Herr Bender! Ich habe schon befürchtet, dass das eine oder andere Thema an mir vorbeigegangen ist 😉
Gruß, JR
Sehr interessanter Artikel
[…] Widerhall im Netz ist jetzt greifbar: Ausführliche Blogposts finden sich bei managerSeminare, im Weiterbildungsblog Jochen Robes’, im Blog von Keynote-Sprecher Steve Wheeler (auf dieser Seite speziell zu […]
Gerade die immer wieder angemahnte „Verzahnung“ war uns ein Hauptanliegen – und diesbezüglich ist es wirklich extrem schade, dass ein paar Dinge an Ihnen vorbei liefen.
So etwa der „Medienkompetenztag“ des Landesmedienzentrums, bei dem am Donnerstag die neuen Entwicklungen beim Lernen auch mal an Lehrer weitergegeben wurden. Oder die Keynote vom Donnerstag, in der Conrad Wolfram zeigte, wie man auch etwas härtere Themen (Mathematik) mit dem Computer lernen kann. Selbstredend haben wir Conrad nachher auch noch auf die Lehrer „losgelassen“ – der Effekt war einfach klasse.
Für mich das schönste Kompliment der diesjährigen LT: Eigentlich wollte Steve Wheeler am Donnerstag früh abreisen. Dann hat er aber bis Mittag verlängert, weil ihn die Interaktion zwischen den Praktikern und den Visionären so faszinierte. Ich denke, wir werden im nächsten Jahr noch ein paar mehr ausländische Besucher haben.
@Peter A. Henning: Aber ich hatte doch schon meiner Zerknirschung darüber Ausdruck verliehen, dass ich – wie eigentlich immer auf der LEARNTEC – nicht alles und insbesondere nicht Conrad Wolfram mitnehmen konnte!
Gruß, JR
Mir geht es ja auch nicht darum, die Zerknirschung zu vertiefen – sondern, die Inhalte von Conrad Wolfram ein wenig in die Rückschau einzubringen.
Grüße
pah
Gelungene Veranstaltung – besonders der Kongress hat mit seiner thematischen Ausrichtung sehr gut die Brücke schlagen können zwischen IKT, Bildungstechnologien und deren Umsetzung sowie Informations- und Wissensmanagement. Die Veröffentlichung des ‚kollaborativ‘ erstellten Lehrbuchs (Projekt L3T) war natürlich ein Höhepunkt der LEARNTEC.
[…] Rückblick: LEARNTEC 2011 | weiterbildungsblog […]
[…] ich schon sehr viel anderswo gelesen und gesehen habe. Einen sehr guten Überblick dazu gibt es im Weiterbildungsblog, wo auch andere Blogquellen verlinkt […]
[…] Die Messebesucher und auch die Veranstalter bewerteten die diesjährige LEARNTEC überwiegend mit dem Prädikat „Gelungen“. Wir selbst waren leider nicht vertreten und können somit kein Statement aus persönlicher Erfahrung heraus publizieren. Eine gute Zusammenfassung hat allerdings Jochen Robes im Weiterbildungsblog gepostet: http://www.weiterbildungsblog.de/2011/02/04/ruckblick-learntec-2011/ […]
[…] vollständige Artikel kann auf seinem Weiterbildungsblog gefunden werden. Mit andern teilenGeschrieben von: Philipp […]