CeBIT 2010: Wandel im E-Learning Markt?
Martina Göhring war auch auf der CeBIT und hat sich mit Viola Ploski über ihre Eindrücke unterhalten. Gerade mit Blick auf Web 2.0 stellt sie „einen Wandel bei den Anwenderunternehmen und ihrem Bedarf“ fest, während die Anbieter die Diskussion um Web 2.0 „für übertrieben“ und „einen überschätzten Hype“ halten. Die Kunden, so Martina Göhring, wünschen immer häufiger eine längerfristige Prozess-Begleitung, werden aber von ihren Anbietern oft mit diesem Wunsch allein gelassen.
Ich will an dieser Stelle nicht darauf eingehen, wer sich hier zu langsam oder zu wenig bewegt, sondern meinen Eindruck ergänzen: In Unternehmen, in der betrieblichen Weiterbildung und den Anbietern, die sich hier platzieren, geht es nach wie vor um formale Qualifizierung. Es geht um Seminare, Workshops und WBTs, also um punktuelle Lernereignisse und um strukturierte Lerninhalte. Die Prozesse, Geschäftsmodelle sowie Kompetenzen der Beteiligten auf beiden Seiten sind darauf ausgerichtet. An diese Tür klopfen jetzt seit einiger Zeit Web 2.0, Social Networking und informelles Lernen. Wie geht man mit ihnen um?
Fragen, die sich Unternehmen stellen müssen, sind z.B.:
– Wie organisieren wir Lernprozesse, die Web 2.0 und user-generated content aufnehmen? Was wollen wir erreichen, was sind unsere Ziele? In welchen Zeitfenstern wollen oder müssen wir denken und kalkulieren?
– Welche neuen Aufgaben und Rollen entstehen hier? Wie könnte die (auch von Martina Göhring angesprochene) „Prozess-Begleitung“ aussehen?
– Welche Leistungen erbringen wir inhouse, was schreiben wir aus?
– Wer könnte uns bei der Prozessbegleitung helfen? Unsere liebgewonnenen E-Learning-Anbieter, klassische Berater oder Web 2.0-erprobte Community-Manager?
– Kommen die neuen Prozessbegleitungen „on top“ zu den bestehenden Leistungen (und müssen auch „on top“ budgetiert werden) oder ersetzen sie Bestehendes?
– Und wie immer: Wer ist intern involviert bzw. in der Verantwortung, wenn es um das „neue“ Lernen, Kommunizieren und Arbeiten geht?
Fragen, die sich Anbieter stellen müssen, sind z.B.:
– Können wir es uns leisten, unser Angebot weiter ganz auf die formale Qualifizierung zu konzentrieren?
– Welche Leistungen können wir anbieten, wenn es um die Stärkung von Social Networking und user-generated content geht?
– Wie können Angebote und Geschäftsmodelle im Web 2.0-Umfeld aussehen?
– Welche neuen Kompetenzen brauchen wir, um in diesem Feld aktiv zu werden? Haben unsere Verkäufer, Autoren, Grafiker, Programmierer, Editoren usw. diese Kompetenzen?
– Müssen wir über neue Kooperationen und Netzwerke nachdenken, um uns auf diesem Feld erfolgreich zu bewegen?
Kurz: Das Stichwort „Prozess-Begleitung“ zeigt in die richtige Richtung, aber ich glaube, es steckt mehr dahinter als eine Seite, die weiß, was sie will, und eine andere Seite, die sich noch ziert.
Martina Goehring und Viola Ploski, Change Management 2.0, 9. März 2010
4 Responses to “CeBIT 2010: Wandel im E-Learning Markt?”
Der Punkt der Prozessbegleitung ist zentral, und wurde in der Vergangenheit oft zugunsten anderer Investitionen aussen vor gelassen. Dies hat (z.B. auch im weitereen Umfeld Wissensmanagement) oft dazu geführt, dass Erfolge limitiert waren. Das Thema Web2.0 hat z.T. einen Neustart bewirkt, aber wieder wird ein ähnlicher Fehler gemacht: Die Anahme: Jetzt funktioniert es wenn man die Leute nur machen lässt nachdem man ihnen Technologie vor die Nase gesetzt hat. „build it an they’ll come“ wird auch diesmal begrenzt funktionieren. Es braucht spezielle Rollen. Und viel muss auch von intern (langfristig) getragen werden. Ein paar Tage Consulting werden da nicht ausreichen. Was das Budget angeht, so ist es erstmal eine Zusatzinvestition, aber vielleicht sollte man seinen Gesamtrahmen iterativer angehen, das heisst nicht gleich mit grossen Technologie-investitionen anfangen, sondern es in Etappen aufbauen. Von Erfolg zu Erfolg, statt „big-bang“.
Was die Rollen angeht, so braucht es definitiv neue übergreifende Skills, es braucht „Knowledge Intermediaries“, Leute die einerseits die Technologie verstehen, aber sich andererseits ebenso gut mit menschlichen Faktoren auskennen (was motiviert oder demotiviert, was treibt, was stoppt Beteiligung, welche Effekte haben Messsysteme und wie sind solche zu gestalten oder wann sind sie Fehl am Platz)
Ich stimme mit Herrn Leistner absolut überein. Was ich übrigens ein hilfreiches Modell finde zu Frage: Wie kann Web 2.0 in der Weiterbildung eingeführt werden ist das von Wilkins (http://www.astd.org/lc/2009/0209_wilkins.html) – er spricht vom embedded, wrapped Ansatz bei formellem Lernen und community Ansatz für informelles lernene – also standalone support von informellem lernen mit den jeweiligen Tools.
Neben den Prozessen und Technologie gilt es meiner Meinung den Menschlichen Faktor nicht zu vernachlässigen.
Z.B. sollten Lerner/ User „enabled“ sein bei der Entscheidung wann sie welches Tool am besten nutzen. Wir sehen oft dass zu schnell das Tool kommt (lasst uns das in einem Wiki umsetzen), anstattt zuerst nach den Zielen & Zielgruppen zu fragen und dann das beste Tool auszuwählen. Im Worstcase sind User schnell irritiert von den ganzen neuen tools von blogs, microblogs, wikis, foren, podcasts etc. und gehen wieder zurück zu start (servershares, e-mail, statische webseiten).
@Frank Leistner, @Thomas Jenewein: Danke für die Ergänzungen! Ich denke auch, dass neue Rollen und entsprechende Skills/Kompetenzen wichtige Punkte auf diesem Weg sind.
Gruß, JR
Für mich entscheidend ist der Satz im Statement von Jochen Robes: “ In Unternehmen, in der betrieblichen Weiterbildung und den Anbietern, die sich hier platzieren, geht es nach wie vor um formale Qualifizierung. Es geht um Seminare, Workshops und WBTs, also um punktuelle Lernereignisse und um strukturierte Lerninhalte“.
Die Unternehmen trennen immer noch klar zwischen Lernen und Arbeit. Wir senden einen Mitarbeiter zu einem Seminar oder stellen ihm eine Lernsoftware zur Verfügung, dann soll er sich weiterbilden. Wenn er dann aber wieder arbeitet, dann soll er effizient seine Aufgaben erledigen. Lernen ist dabei nicht vorgesehen.
Dabei wissen wir schon lange, dass Wissensarbeit, also das Lösen von Problemen, ein Lernprozess darstellt auf der Suche nach einer Lösung.
Genau hier kann Social Software einhaken und Wissensarbeit effektiver und auch effizienter machen, indem Lernprozesse durch Wissensaustausch auch über grössere Entfernungen ermöglicht werden. Solange aber dieses Bewusstsein noch nicht vorhanden ist, wird auch Prozessberatung einen schweren Stand haben. Wer mehr über Wissensarbeit wissen möchte: http://www.wissensarbeiter.org.
Herzliche Grüsse, Jörg Dirbach