Jochen Robes über Bildung, Lernen und Trends

Im Irrgarten der Intelligenz

Da alle Welt sich derzeit wieder ausgiebig mit PISA-Sonderstudien und Ähnlichem beschäftigt, kommt diese kleine Polemik gerade recht. Enzensberger nimmt hier die Intelligenzmessung aufs Korn und wirft einen Blick auf Geschichte und Gegenwart einer „eigentümlichen Obsession“. Was ist Intelligenz? Lässt sich Intelligenz messen? Oder ist Intelligenz nur das, was Intelligenztests testen?

„Wir stellen uns die folgende Versuchsanordnung vor. Ein beliebiger Forscher aus Stanford, London oder Berlin wird mit einer der folgenden Personen konfrontiert, die seine Intelligenz einschätzen sollen: (a) mit einem Inuit aus Grönland, (b) mit einem Indio aus dem Amazonasbecken, (c) mit einem Seefahrer aus Polynesien. Es gehört wenig Phantasie dazu, um zu erraten, wie ein solcher Test ausfiele. Unser Experte wäre hoffnungslos überfordert. Schon dass er es mit Analphabeten zu tun hätte, würde ihn wahrscheinlich irritieren. Vollends verstört wäre er, wenn diese Leute seine geistigen Fähigkeiten daraufhin überprüfen würden, ob sie ausreichten, Tausende von Pflanzen zu unterscheiden, Fährten zu lesen oder tiefe Strömungen an winzigen Nuancen der Meeresoberfläche zu erkennen. Die Blamage wäre eklatant.“
(via Robert Freund)
Hans Magnus Enzensberger, NZZ Online, 11 November 2006
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