European e-Learning award 2007
Wer es noch nicht wusste: Ich bin Jury-Mitglied! Ich werde in den nächsten Tagen acht der 117 Projekte prüfen und bewerten, die bis Ende Oktober für den „Europäischen E-Learning Award“ eingereicht wurden. Aber was heißt „prüfen und bewerten“? Von den acht Projekten liegen in der Regel eine kurze Projektbeschreibung sowie verschiedene ergänzende Materialien vor. Zugriff auf die Online-Lösung gibt es in dieser ersten Evaluationsrunde nur, soweit die Beteiligten es anbieten. Über die Umsetzung der Projekte, über Lernerfahrungen und Lernerfolge erfährt man in der Regel wenig. Aber das ist hier nicht anders als bei anderen Awards! Also werde ich mich mit den schriftlichen Materialien auseinandersetzen. Und ich bin absolut berechenbar: Wer sein Projekt sorgfältig beschreibt und die Fragen der eureleA-Organisatoren aufnimmt, wer Informationen über Ziele, Zielgruppen, Didaktik, Projektverlauf, Rückmeldungen der Teilnehmer usw. anbietet, erhält entsprechende Punkte. Wer nur eine einzige Seite eingereicht hat oder mehrere Flyer aus anderen Zusammenhängen zum Download anbietet, eben nicht. Das werde ich tun – und mich in einigen Wochen trotzdem wundern, dass auch Kandidaten, die ich aussortiert habe, die nächste Runde geschafft haben, weil andere Jury-Mitglieder bereit waren, vorhandene Informationslücken mit ihrer Phantasie zu schließen.
european e-Learning award 2007
[Kategorien: e-learning]
4 Responses to “European e-Learning award 2007”
Nur zum Verständnis: Ihr bewertet also gar nicht die Projekte an sich, sondern den Eindruck, den Ihr von den Projekten auf Basis der Selbstdarstellung der Projektbetreiber erhaltet, richtig? Prüft Ihr irgendwie, ob das, was dort z.B. über den Erfolg der Projekte drinsteht, stimmt?
Die Antwort auf Deine erste Frage, Martin, lautet: Ja. Bewertet werden die eingereichten Texte der Anbieter über ihr Projekt.
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Das würde mich überraschen.
Zum besseren Verständnis: Die meisten Anbieter sagen in dieser Phase wenig oder nichts zum Stichpunkt Evaluation. Einige Projekte wurden gerade abgeschlossen, einige laufen sogar noch. In der Regel werden in der Selbstdarstellung die Ziele erreicht, die man sich gesetzt hat (sonst würde man ja das Projekt nicht einreichen)!
In einer zweiten Evaluationsrunde – der ich nicht mehr angehöre – hätte die Jury die Möglichkeit, die Anbieter um entsprechende Informationen zu bitten. Aber da alle Beteiligten erfahrene Kenner der Szene sind, wird an diesem Punkt mit Sicherheit kein großes Fass aufgemacht:
– denn erstens stehen Evaluationen nie oben auf der Projektagenda, wenn sie überhaupt draufstehen (das gilt wahrscheinlich für alle Projekte auf allen Spielfeldern);
– zweitens könnten viele Erfolgskriterien valide erst nach Jahren überprüft werden (wurden z.B. von den Lernern Kompetenzen erworben?);
– und drittens müsste man sie vor Ort, mit Beteiligung der Lerner und Blick auf Rahmenbedingungen und Kontext überprüfen – idealerweise auch unabhängig von den unmittelbar Beteiligten.
Kurz: Alle wissen um das Problem, und ich denke, es ist das Fairste, hier so transparent wie möglich offenzulegen, was man bewertet hat bzw. bewerten konnte. Sicher nur in Ausnahmefällen den Erfolg von Projekten! Aber ich würde bereits alle eingereichten Arbeiten zurückgeben, die zu diesem Punkt (Evaluation, Projekterfolg) nichts sagen 😉
Gruß, Jochen
In Ergänzung zu dem Problem, dass man häufig die Beschreibung eines Projekts bewertet, als das Projekt selbst, hier ein Hinweis auf einen famos geschriebenen Artikel in der FAZ, in dem die Misere des Versuchs, per Dekret „Elite-Universitäten“ in Deutschland zu erzeugen, zerlegt wird. Im Rahmen des Wettbewerbs wurde nun das Geld nicht der Universität zugesprochen, die durch konkrete Maßnahmen Exzellenz ermöglicht, sondern die schönste Präsentation, die schwurbeligste Antragslyrik vorgetragen hat.
Die LMU München konnte sich allen Ernstes durchsetzen, da sie „Working Brains“, „Networking Minds“ und „Living Knowldege“ protegieren will. In einem „Centre for Advanced Studies“ sollen verschiedenste Disziplinen zusammenfinden. Komisch. Man hätte bislang immer gedacht, dass eine Universität per se ein Ort ist, an dem verschiedene Disziplinen zusammenfinden, ein Austausch der forschenden Gemeinde stattfindet.
Auch sonst scheinen die Universitäten sich v.a. erfolgreich darum bemüht zu haben, die Begriffe in Konzepte, Absichtserklärungen und Vorhabenbeschreibungen zu packen, die bei den bewertenden Rezipienten die entsprechenden positiv konnotierten Assoziationen auslösen: Exzellenz, privat, Stipendien, Stiftung, Brain, Networking, high potential, usw.
Das erinnert an den Gag der TITANIC, die beschreibt, wie ein Student seine Schwierigkeit, eine Einleitung für seine Promotion zu verfassen, löst: „Habe das Editorial der ADAC Motorwelt abgeschrieben und dabei „Autobahn“ durch „Gesellschaft“ und „Tempolimit“ durch „rekursive Transzendenz“ ersetzt – Argumentation jetzt viel stringenter.“
So schreibt die FAZ „Wir glauben nicht an Tatsachen, sondern statt dessen lieber an Vorstellungen und „Zukunftskonzepte“, also Power-Point-Präsentationen. Daß ein Bewerber im Exzellenzwettbewerb mit dem Spruch durchdringen konnte, er wolle aus seinem Haus eine „internationale Netzwerkuniversität“ machen, daß niemand in den Kommissionen in Lachen ausbricht, wenn so etwas vorgetragen wird, läßt das geistige Klima der Hochschulreform erkennen.“
Der Artikel „Manche Hochschulen sind gleicher“ unter http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E3D60A6776017402C92EFC2994D2D5038~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Danke für den Hinweis auf den FAZ-Artikel und den wunderschönen TITANIC-Gag! Gruß, JR
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