Armut ist kein Schicksal
Nein, ich will mit diesem Verweis kein neues Spielfeld eröffnen. Aber hinter diesem Titel steckt ein Gespräch zwischen Friedhelm Hengsbach und Gert G. Wagner, in dem es um Wirtschafts- und Sozialpolitik und immer wieder um Bildung geht. Hintergrund dieses Gesprächs ist eine Denkschrift zur Armut, „Gerechte Teilhabe. Befähigung zur Eigenverantwortung“, die die EKD im Juli herausgegeben hat. Was Friedhelm Hengsbach an dieser Denkschrift missfällt, ist ihr Fokus auf Arbeitsmarktpolitik und Bildung; was er vermisst, sind neue wirtschafts- und finanzpolitische Konzepte.
Vor allem, und da habe ich mehrmals genickt, sieht er nicht die Bildung als Schlüssel für die drängenden Probleme der Gegenwart. Ich will nur einen Satz zitieren, der vielleicht zeigt, warum ich bei der Lektüre dieses Gespräch glühender Anhänger der katholischen Sozialethik war (denn für diese steht Friedhelm Hengsbach):
„Bildung bekommt, wie derzeit überall in der Debatte über Armut und Arbeitslosigkeit, einen viel zu großen Stellenwert. Massenarbeitslosigkeit resultiert aber nicht aus mangelnden Bildungsanstrengungen. Die Perspektivlosigkeit und damit einhergehende Bildungsmüdigkeit junger Leute ist die Folge, nicht die Ursache der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit. Sie wissen, dass sie sowieso keine Chance bekommen, und haben aufgegeben.“
Es gibt weitere interessante Stellen, in denen Friedhelm Hengsbach versucht, die Aufmerksamkeit von dem Schlüsselsatz „Bildung schafft Arbeitsplätze“ wegzulenken. Zu Recht, wie ich finde! Als Ende der Achtziger meine Studienkollegen, die ihr Referendariat abgeschlossen hatten, als Lehrer keine Jobs bekamen, war nicht ihre Bildung das Problem. Wer heute lernt, weiß nicht, ob er damit Kompetenzen erwirbt, die morgen gefragt sind. Diese Unsicherheit bleibt, und die können mehr Bildung, bessere PISA-Ergebnisse und höhere Studienanfängerquoten nicht beseitigen. Es sei denn, man diskutiert über die Strukturen, die diese Unsicherheit bedingen.
Trotzdem führt selbstverständlich – aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive – an Bildung und lebenslangem Lernen kein Weg vorbei! Und von daher steht Bildung wiederum zu Recht im Mittelpunkt.
Schön, dass die Frankfurter Rundschau solchen Gesprächen Platz gibt. Begrüßenswert, dass es darüber hinaus auch für alle online nachzulesen ist – hoffentlich etwas länger als die vielerorts üblichen sieben oder vierzehn Tage!
Friedhelm Hengsbach und Gert G. Wagner, Frankfurter Rundschau vom 4 November 2006
[Kategorien: Weiterbildung allgemein]
4 Responses to “Armut ist kein Schicksal”
Die Statistik sagt klar, wer Akademiker ist verdient erheblich mehr als der Durchschnitt, ist wesentlich weniger von Arbeitslosigkeit betroffen und hat auch noch eine längere Lebenserwartung. Das spricht doch eindeutig für Bildung.
Wer in den 80-igern Lehrer werden wollte wußte das er sich auf einen vollen Markt begibt. Der mußte damit rechnen eventuell in die Schweiz oder nach Österreich zu gehen, um einen Job zu finden. In 3-4 Jahren ist ein starker Lehrermangel zu erwarten. Bis dahin gehen ca. 30% in Pension. Die Studentenzahlen für Lehramt sind seit einigen Jahren extrem niedrig. Jetzt wo es sich lohnen würde.
Zur Bildung gehört auch eine gute Bildungsberatung und Planung, die fehlt.
Der Reichtum eines Landes ist die berufliche Qualifizierung seiner Bürger.
Absolut richtig, aber genau das sind ja die zwei Seiten der Medaille. Die Geschichte zeigt ja auch, dass gesamtgesellschaftlich ein steigendes Bildungsniveau problemlos mit hohen Arbeitslosenzahlen einhergehen kann. Für die Lösung einiger Arbeitsmarktprobleme ist Bildung halt nicht der alleinige Schlüssel. So habe ich die Wortbeiträge verstanden.
Gruß, JR
Dann lassen wir uns doch endlich offen darüber sprechen, warum die Politik nicht mehr in der Lage ist, den Begriff „Vision“ mit Leben zu erfüllen. Wer sind die Visionäre Unserer Gesellschaft und vorallem wer sind die „Visionäre“ für die Armen und Schwachen in diesem Lande? Arbeitslos zu werden trotz guter Bildung ist nun bei weitem keine Seltenheit, wie es gerne politisch diskutiert wird, aber Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildung führt dazu das die Menschen nicht in der Lage sind sich aus eigener Kraft wieder in eine „arbeitsfähige“ Situation zu versetzen.
Der Stellenwert für Bildung kann gar nicht hoch genug sein und angesichts der miserablen Situation in Deutschland was das Thema Bildung, Lebenslanges Lernen etc angeht, (von Qualität ganz zu schweigen) ist es notwendig alles dafür zu tun dass Menschen in die Lage versetzt werden sich eigene Perspektiven zu erschließen.
Dann lassen wir uns doch endlich offen darüber sprechen, warum die Politik nicht mehr in der Lage ist, den Begriff „Vision“ mit Leben zu erfüllen. Wer sind die Visionäre Unserer Gesellschaft und vorallem wer sind die „Visionäre“ für die Armen und Schwachen in diesem Lande? Arbeitslos zu werden trotz guter Bildung ist nun bei weitem keine Seltenheit, wie es gerne politisch diskutiert wird, aber Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildung führt dazu das die Menschen nicht in der Lage sind sich aus eigener Kraft wieder in eine „arbeitsfähige“ Situation zu versetzen.
Der Stellenwert für Bildung kann gar nicht hoch genug sein und angesichts der miserablen Situation in Deutschland was das Thema Bildung, Lebenslanges Lernen etc angeht, (von Qualität ganz zu schweigen) ist es notwendig alles dafür zu tun dass Menschen in die Lage versetzt werden sich eigene Perspektiven zu erschließen.
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