Über die Ketten der Wissensgesellschaft
Ich hatte vor einigen Tagen schon einmal kurz auf diesen Artikel hingewiesen, ihn aber nicht ausführlicher gewürdigt. Das sei hier nachgeholt: Es handelt sich um einen hervorragenden Überblick über das Thema „Open Access“ und die Diskussion um den freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Der Artikel ist angenehm unausgewogen, bietet viel Hintergrundmaterial und ist auch für „Außenstehende“ gut nachzuvollziehen. Und das Thema emotionalisiert: Ich selbst erlebe immer wieder Wissenschaftler, die, darauf angesprochen, warum sie ihre Publikationen oder Vorlesungsunterlagen nicht öffentlich zugänglich machen, wortreich erklären, dass das alles gar nicht so einfach sei. Zuletzt erzählte mir der Professor einer Fachhochschule, dass er seine Materialien gar nicht öffentlich machen könne, weil sie in der vorliegenden, „hochschulinternen“ Fassung natürlich voll von Urheberrechtsverletzungen seien!
Vielleicht steckt auch dieser Professor im sogenannten „Gefangenendilemma“: „Viele Wissenschaftler, deren Interesse sich in erster Linie auf die Veröffentlichung in prestigeträchtigen Journalen richte, seien den Schwierigkeiten der Informationsversorgung gegenüber ignorant, hatte schon der Wissenschaftsausschuss des britischen Parlaments geklagt. Allerdings gibt es für sie auch wenig Anreize, von sich aus ihre Arbeiten allgemein zugänglich zu machen. Die Appelle an die Freiwilligkeit belassen die Wissenschaftler in dem bekannten Gefangenendilemma, dass, was dem Gemeinwohl nutzt, oftmals mit einem gewissen persönlichen Nachteil verbunden ist, solange nicht alle anderen mitziehen. Alle Forscher sind besser dran, wenn die Arbeiten frei zugänglich sind, aber einzeln trachtet jeder meist danach, vom Renommee einer etablierten Zeitschrift zu profitieren und – zumal als jüngerer Wissenschaftler am Anfang der Karriereleiter – nicht seine Chance durch das Pochen auf ein Zweitveröffentlichungsrecht im Internet zu gefährden.“
Richard Sietmann, c’t, 12/2006
[Kategorien: Zukunft des Internet, Open Access/ Open Content]