Jochen Robes über Bildung, Lernen und Trends

Was den Intellektuellen auszeichnet

Jürgen Habermas hat am Donnerstag den Bruno-Kreisky-Preis entgegengenommen, sich in seiner Dankesrede vorbildlich beim Austromarxismus für vielfältige Anregungen bedankt, bevor er der Bitte der Ausrichter entsprach, über die Rolle des Intellektuellen zu räsonnieren. Dabei stellt er die Frage in den Raum, ob die Ausweitung unserer Medienöffentlichkeit noch Platz für die klassische Gestalt des Intellektuellen bietet oder ob die Intellektuellen „am Überborden dieses lebensspendenden Elements [Öffentlichkeit] wie an einer Überdosierung zu ersticken“ drohen.

Zu dieser „Überdosierung“ trägt, so Jürgen Habermas, auch das Internet bei:
„Die Nutzung des Internet hat die Kommunikationszusammenhänge zugleich erweitert und fragmentiert. Deshalb übt das Internet zwar eine subversive Wirkung auf autoritäre Öffentlichkeitsregime aus. Aber die horizontale und entformalisierte Vernetzung der Kommunikationen schwächt zugleich die Errungenschaften traditioneller Öffentlichkeiten. Diese bündeln nämlich innerhalb politischer Gemeinschaften die Aufmerksamkeit eines anonymen und zerstreuten Publikums für ausgewählte Mitteilungen, sodass sich die Bürger zur gleichen Zeit mit denselben kritisch gefilterten Themen und Beiträgen befassen klönnen. Der begrüßenswerte Zuwachs an Egalitarismus, den uns das Internet beschert, wird mit der Dezentrierung der Zugänge zu unredigierten Beiträgen bezahlt. In diesem Medium verlieren die Beiträge von Intellektuellen die Kraft, einen Fokus zu bilden.“
Also: Zu viele aktive Mitspieler in der Medienöffentlichkeit sind des Intellektuellen Tod? Aber: Wäre das ein Problem? (via medienpaedagogik.at/blog)
Jürgen Habermas, derStandard.at, 10 März 2006