Milchmädchenrechnung. Warum der Vorwurf der Ökonomisierung des Bildungswesens falsch ist
Am Anfang stand der Aufruf einer Gruppe von Erziehungswissenschaftlern, den ich geflissentlich überlesen habe. „Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb“ heißt es dort. Inzwischen wurde der Aufruf von mehr als 150 Wissenschaftlern unterzeichnet, und heute will man die „Einsprüche“ in Frankfurt der Öffentlichkeit vorstellen.
Der Autor dieses Artikels, der am Donnerstag in der ZEIT erschien, ist selbst Erziehungswissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Den Kritikern einer Ökonomisierung des Bildungswesens hält er entgegen, dass sie mit ihren „Einsprüchen“ nichts anderes bewirken, als notwendige Reformen zu verhindern. Zu den Stichpunkten „Steuerung und Autonomie“, „Leistungsmessung und Standardisierung“ sowie „Wissenschaft im Reformprozess“ liefert er seine Argumente, um abschließend zusammenzufassen:
„Die systematische Schwäche der gesamten Kritik, nicht nur der Verfasser der »Einsprüche«, wird damit noch einmal sichtbar: Sie leugnet nicht Reformbedarf, aber nach rückwärts; denn sie fingiert die Vergangenheit des Bildungssystems als heile Welt, die erst von Evaluation und Akkreditierung, Bologna-Prozess und Bildungsstandards bedroht wird, sich aber vorher in der notwendigen »Langsamkeit« dem »Wahrheitsstreben« hingegeben hat. Das ist nicht nur ärgerlich, weil diese Kritik die Vergangenheit verklärt, sondern auch ohne Alternativen formuliert, ohne ein Bild von dem notwendigen Umbau unserer Universitäten angesichts einer ungekannten Expansion der Studierendenzahlen. Der Versuch, die Lehre an den Hochschulen transparenter und strukturierter zu gestalten, wird von den Kritikern als »Verschulung« desavouiert – das ist nur zynisch.“
Sorry für die Verspätung! Jetzt bin ich dabei!
Heinz-Elmar Tenorth, Die ZEIT, 41/2005, 6 Oktober 2005
[Kategorien: Weiterbildung allgemein, Bildungsökonomie]