Jochen Robes über Bildung, Lernen und Trends

Wissenserzeugung und -austausch in Wissensgemeinschaften – Communities of Practise

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Am Donnerstag gibt es einen Workshop mit Klaus North, Professor am Fachbereich Wirtschaft der FH Wiesbaden. Deshalb habe ich heute noch einmal seinen aktuellen Report über „Communities of Practices“ in die Hand genommen und etwas gründlicher studiert. Ausgangspunkt dieses Reports ist folgende Feststellung: „Die Kontexte für lebendige Wissensgemeinschaften können bewusst geschaffen werden.“ Dabei unterscheidet North vier Gestaltungsdimensionen: „(1) die der Personen, die Mitglieder von Wissensgemeinschaften sind, (2) die der Interaktion dieser Personen, (3) die der resultierenden Wissenstransformation sowie (4) die der organisatorischen Verankerung.“

Vor diesem Hintergrund wird eine umfassende Literaturreview durchgeführt, werden Fallbeispiele beschrieben und klassifiziert, um das Ausgangsmodell zu überprüfen und weiterzuentwickeln.


Folgende Punkte sind mir bei der Lektüre aufgefallen:

– Das Lernen in Wissensgemeinschaften wird von den Autoren dem Lernen in der „klassischen“ Aus- und Weiterbildung von Unternehmen gegenübergestellt.
„Unsere Institutionen, soweit sie Fragen des Lernens explizit aufgreifen, beruhen weitgehend auf der Annahme, dass Lernen ein individueller Prozess ist, der Anfang und Ende hat und der am besten vom Rest unserer anderen Aktivitäten getrennt wird und dass Lehren die Quelle des Lernens ist. So lehren wir in Seminarräumen, gestalten computerunterstützte Trainingprogramme mit invidualisierten Sessions, wir prüfen Lernerfolg mit inviduellen Tests. Ergebnis ist, dass ein großer Teil unserer institutionalisierten Aus- und Weiterbildung als langweilig und irrelevant für die praktische Anwendung angesehen wird.“
Diesen Punkt würde ich gerne einmal vertiefen!

– Natürlich liefern die Autoren auch eine Definition von Wissensgemeinschaften bzw. „Communities of Practice“. Allerdings fehlt mir (und das findet man in der akademisch ausgerichteten Literatur immer wieder) eine Abgrenzung von Alltagsbegriffen wie Netzwerken, Gruppen, Zirkeln, Stammtischen usw. Manchmal entsteht der Eindruck, als ob es Communities erst seit fünfzehn Jahren gibt!

– Der ganze Report wird m.E. durch eine wichtige Frage geprägt: Können Wissensgemeinschaften überhaupt gesteuert bzw. „von außen“ oder „oben“ organisiert werden? Die Antwort der Autoren ist „ja“, und deshalb versuchen sie explizit, Rahmenbedingungen und Gestaltungsdimensionen zu beschreiben. Eine andere Antwort findet sich aber in verschiedenen Statements des gleichen Reports, wenn es dort heisst: „Verordnete Wissensgemeinschaften gedeihen selten.“ (21) „Eine Community ist ein Konstrukt, das auf Selbstorganisation basiert und sehr sensibel auf externe Fremdeingriffe reagiert.“ (113) Auch wird die „freiwillige Mitgliedschaft“ der Teilnehmer immer wieder betont.
Vielleicht ist gerade diese Spannung zwischen Planung und Steuerung einerseits und Selbstorganisation andererseits einer der interessantesten Aspekte beim Thema CoP!
Klaus North, Michael Franz und Gerald Lembke, QUEM-report, Heft 85, 2004 (pdf, 3,3 MB! – Der Report kann aber auch bestellt werden!)
[Kategorien: Online-Communities]