Jochen Robes über Bildung, Lernen und Trends

Arbeitskreis für Technologieunterstütztes Lernen in Banken und Bausparkassen (TLB)

Gestern und heute traf sich der Arbeitskreis für Technologieunterstütztes Lernen in Banken und Bausparkassen (TLB) in Düsseldorf. Gastgeber war die Citibank. Ich weiss gar nicht wie, aber von Treffen zu Treffen spielt e-Learning eine immer kleinere Rolle, und das ist gut so. Eine erste Umfrage unter den Teilnehmern brachte Stichworte wie „Effizienz“, „Restrukturierung“, „Zentralisierung“, „Technologie kein Thema“ und „Blended Learning“ – vertraute Bekannte in diesen Zeiten.

Am ersten Tag wurde über Bildungscontrolling diskutiert. Ich muss zugeben, dass bei mir nicht viel hängengeblieben ist. Vieles wurde schon zu oft gesagt; und wenn ein Dutzend Betroffene diskutieren, wird das Thema schnell von einem Nebel zugedeckt, aus dem vielleicht abwechselnd noch die Begriffe „ROI“, „Transfersicherung“, „Kirkpatrick“ und „Human Capital“ hervorschauen, aber der es schwer macht, eine Verbindung zwischen diesen Punkten herzustellen. Zumindest ist klar, dass das Thema alle drückt. Irgendwie. Anschließend gab es einen spontanen Vortrag über Wikis (z.B. www.wikipedia.org). Sehr gut, weil es die Phantasie anregte.

Am zweiten Tag kam Michael Kerres von der Universität Duisburg/ Essen, um mit uns über „E-Learning und Wissensmanagement“ zu diskutieren. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen, vor denen die betriebliche Weiterbildung steht, hob er vier Problemfelder hervor:
– Lernen in Organisationen = überwiegend informell
– Seminare und Lehrgänge ≠ Just-in-Time-Lernen
– verteiltes Wissen ≠ geteiltes Wissen
– Wissen ≠ Fertigkeiten ≠ Anwendung


Weil die Weiterbildung noch keine ausreichenden Antworten auf diese Problemfelder hat, werden Fragen nach Wirtschaftlichkeit und Nutzen von Weiterbildung immer lauter. Michael Kerres zeigte zwei Handlungsoptionen für die Weiterbildung auf: (a) die Optimierung bestehender Produkte und Prozesse (z.B. durch Qualitätssicherung, Standards, Controlling); oder (b) Innovationen (z.B. just-in-time-Learning, informelles Lernen).

Die Diskussion konzentrierte sich im Weiteren auf das informelle Lernen. Seine Bedeutung in der Weiterbildung ist heute unstrittig. Die interessante These, die Michael Kerres mitbrachte, lautete: Die Gelegenheiten für informelle Kommunikation und damit für informelles Lernen nehmen ab – eine direkte Konsequenz unserer Suche nach immer effizienteren Arbeitsabläufen und der weiter steigenden Bedeutung technischer Systeme zur Kommunikation. Wenn das so ist: Wie können wir die Rahmenbedingungen für informelles Lernen verbessern? Wie können wir Anlässe schaffen, in denen informelles Lernen stattfinden kann?

Die Vorschläge, die diskutiert wurden, reichten schnell über die klassischen Lernorte und die vertraute Agenda der Personalentwicklung hinaus und gingen mehr in Richtung verbesserter Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen sowie einer Unternehmenskultur, die informelle Kommunikation und informelles Lernens ermöglicht und unterstützt.

Mein persönliches Fazit: Ohne dass es explizit angesprochen wurde, stand ein Defizit an persönlichen Begegnungen und persönlichem Austausch im Raum. Wenn wir dieses Defizit abbauen und Möglichkeiten der Begegnung (neu) schaffen, stärken wir auch das informelle Lernen. Wo da genau der Personalentwickler interveniert, blieb erst einmal offen. Vielleicht ist er doch mehr der Optimierer des Bestehenden …

Vielleicht gibt es aber noch eine zweite Seite, die dann auch wieder die Technologie ins Spiel bringt. Denn der Unterschied zwischen gestern und heute liegt ja gerade darin, dass heute die Online-Technologien ein integraler Bestandteil dieser Rahmenbedingungen für informelles Lernen sind. Vielleicht sogar der wichtigste, wenn es darum geht, schnell und gezielt in großen Unternehmen und Netzwerken Antworten zu finden. Vielleicht kommt ja die Zeit für eine zweite Wissensmanagement-Runde – dieses Mal nicht mit dem Schwerpunkt auf Wissensdatenbanken, sondern auf Expertennetzwerken.

Hier gibt es eine Übersicht über die Publikationen von Michael Kerres.
[Kategorien: Informelles Lernen]