Die Grenzen zum Wachstum
In diesem Interview mit Peter Kruse, Professor für Allgemeine und Organisationspsychologie an der Universität Bremen, geht es um Veränderungen, Unsicherheit, Instabilität, wie wir mit solchen Situationen umgehen und aus ihnen lernen können. Verändern sich die Rahmenbedingungen bzw. geraten wir in instabile Situationen, wird es oft notwendig, sich von bewährten Strategien zu verabschieden und neue Muster auszubilden – von „Best-Practice“ zu „Next-Practice“ (und so heisst auch das aktuelle Buch von Peter Kruse). Aus einer Fülle von anregenden Gedanken möchte ich zwei Fragen/ Antworten kurz zitieren:
„Prozessmusterwechsel“ ist ein Schlüsselbegriff in Ihrem Buch. Haben Sie ein Beispiel?
Die schönsten Beispiele stammen aus dem Leistungssport. Dort haben immer wieder Menschen bestehende Muster aufgebrochen und neue eingeführt. Besonders eindrücklich ist der Übergang vom Straddle zum Fosbury-Flop beim Hochsprung. Vor 1968 war der Straddle die dominierende Standardtechnik, doch war man an eine Grenze gestoßen, die letzten Millimeter waren ausgereizt. Und dann kam der Amerikaner Dick Fosbury und machte es ganz anders: Er sprang nicht mehr vorwärts-seitwärts, sondern rückwärts – der Fosbury-Flop war geboren, der ganz neue Leistungsdimensionen erschloss. Die Athleten, die noch nach der alten Technik sprangen, standen vor der Notwendigkeit, ihr gelerntes Muster aufzugeben. Und das fällt nicht ganz leicht. Dann haben Newcomer eine größere Chance, denn sie lernen gleich das neue Muster.
Sie sagen, es braucht Störungen. Doch Störungen sind das, was Führungskräfte überhaupt nicht leiden können. Das Management ist schlecht gerüstet für Veränderungen?
Manager sind zumeist stark ausgerichtet auf das Steuern und Regeln. Die klassische Führungskraft managt, sie löst Probleme zwischen Ist und Soll. Man definiert das Ziel, analysiert den Ist-Zustand und sieht dann zu, dass Ist zu Soll überführt wird, so gut und schnell es eben geht. Dafür wurden die Managementinstrumente in den letzten Jahren weitgehend perfektioniert. Nur für den Umgang mit instabilen Phasen sind die meisten Manager nicht so gut gerüstet. Es fehlt gewissermaßen ein weiterer Professionalisierungsschritt.
Übrigens hat auch die Kybernetik einige Zeit gebraucht, bis klar wurde, dass man einen Aspekt außer Acht gelassen hatte: den Übergang von einer Ordnung zur nächsten. Damit gewann die Modellierung von Ordnungsbildungen in der Natur den Aspekt der Selbstorganisation hinzu – und dieser Aspekt wird in den nächsten Jahren ein bestimmendes Thema in der Managementpraxis sein. Das bedeutet allerdings einen ziemlich heftigen Angriff auf die Identität von Führungskräften, weil man hier mit den klassischen Modellen nicht weiterkommt.“
Winfried Kretschmer und Peter Kruse, changeX, 21 April 2004
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