JOCHEN ROBES ÜBER BILDUNG, LERNEN UND TRENDS

Survival of the Richest

Ich habe gerade das neue Buch von Douglas Rushkoff, „Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind“, gelesen. Es hat mich aus verschiedenen Gründen angesprochen: der Autor ist ein bekannter Medientheoretiker; ich lese gerne Bücher über die Auswüchse unserer Wirtschaftsordnung (zuletzt: „Superyachten“ von Grégory Salle), und nicht zuletzt hatte Anja C. Wagner auf dem CLC BarCamp in Hamburg einen interessanten Bogen von den Tech-Bros in Silicon Valley zum lebenslangen Lernen in Zeitenwenden gespannt.

Diese Tech-Bros sind auch die Akteure, mit denen sich Douglas Rushkoff in seinem Buch näher beschäftigt hat. In 13 Kapiteln versucht er, uns ihr „Mindset“ vorzustellen und zu beschreiben, wie diese Tech-Milliardäre „ticken“. Dafür greift er auf persönliche Begegnungen, Analysen, Beschreibungen und Anekdoten zurück. Manchmal haben diese Tech-Milliardäre bekannte Namen. Elon Musk, Peter Thiel und Jeff Bezos gehören hier zum ständigen Personal. Aber eine konkrete Aufzählung eines festen Kreises dieses Menschenschlags nimmt Douglas Rushkoff nicht vor.

Woraus besteht nun das „Mindset“? Douglas Rushkoff spricht den Tech-Milliardären eine „Prepper-Mentalität“ zu, mit der sie sich auf mögliche Katastrophen und Notfälle vorbereiten, losgelöst und abgeschottet von der übrigen Menschheit. Das geht Hand in Hand mit der Ablehnung des Gemeinwesens und staatlicher Institutionen. Gefeiert wird die individuelle Souveränität („Bunkerstrategien“).

Mit Geld und Technologien wollen die Tech-Milliardäre die Welt nach ihren persönlichen Bedürfnissen umgestalten. Die Rede ist von einem „szientistischen Verständnis der menschlichen Entwicklung“ (S. 85), von „transhumanistischen Preppern“, ohne Moral. Natürlich fehlt ein „blindes Wachstumsstreben“ (103) nicht: „Die Folge ist, dass die technologische Innovation weniger dem Zweck dient, den Menschen bessere, befriedigendere Produkte und Erfahrungen anzubieten, sondern vor allem als Mittel betrachtet wird, um Herrschaft, Extraktion und Wachstum zu verstärken.“ (103)

Mit weiteren Beispielen und Stichworten werden die Glaubenssätze des „Mindset“ und die Haltung der Tech-Milliardäre weiter ausgeführt: operante Konditionierung, Gamification, Singularity University, TED Talks, „One Laptop per Child“, der „Great Reset“ (Klaus Schwab, Davos) und ein „technologischer Solutionismus“ (167). Ich stoppe einmal an dieser Stelle. Man könnte auch sagen, dass Douglas Rushkoff den amerikanischen Libertarismus beschreibt, aber nicht systematisch, sondern verteilt auf viele Kapitel, Stichworte und Geschichten.

Das Buch, so mein Eindruck, ist mit viel Insider-Wissen und sehr unterhaltsam geschrieben und doch nur eine erste Annäherung. Was ihm dramaturgisch fehlt, ist ein gemeinsamer „Ort“ (ein College, ein Café, eine Community), der einen festen Kreis von Personen verbindet, so dass man sich näher mit ihren Biografien und Gemeinsamkeiten im Lebenslauf beschäftigen kann. Und es fehlt wahrscheinlich ein zeitlicher und räumlicher Abstand (das Original erschien 2022) zum Gegenstand der Analyse.

Ich will auch nicht versäumen anzumerken, dass Douglas Rushkoff im letzten Kapitel einmal die Perspektive wechselt und von einer „Gegenkultur“ (252) spricht, die wir dem Mindset entgegensetzen müssen. Eine Kreislaufwirtschaft, die Unterstützung von Kooperativen, ein beschränktes Wachstum sowie einige weitere Empfehlungen gehören dazu. Aber das wirkt etwas hingeworfen.

Dessen ungeachtet: Ich habe jetzt ein klareres Bild davon, was die Tech-Bros bewegt und was damit auch die gegenwärtige amerikanische Politik treibt.